Rokoko-Tapete aus einem Wohnhaus in Diepenau
© Stahl1987 wurde in Diepenau ein Teil eines Hauses (Lange Str. 44) abgerissen. Dabei fand man überraschend eine kunsthistorisch sehr wertvolle Tapete. Unter mehreren weiteren Tapetenschichten war sie verborgen gewesen. Sie war an Ort und Stelle von Hand gemalt worden, wie heruntergelaufene Farbspuren erkennen lassen. Das Museum Nienburg erwarb sie samt dem originalen Zubehör (Fensterrahmen, Tür, Fußbodenleisten) und baute dafür extra einen kleinen Raum.
Die Tapete ist mit aufwendiger, grau-blauer Grisaillemalerei ausgestattet. Ca. 60 cm breite Streifen Leinwand wurden aneinander geklebt. Entstehungszeit und Thema müssen aus der Malerei selbst erschlossen werden.
Die sehr schönen Rocaillen, sicher nach Musterbüchern gemalt, weisen in das 18. Jahrhundert, die Zeit des Rokoko. Für die Gewänder der Personen hatte der Maler vermutlich ebenfalls Vorbilder, bei den Gliedmaßen und den Fröschen links auf dem Tisch fallen allerdings Unsicherheiten und z.T. Fehler auf. Der Maler selbst bleibt namentlich unbekannt, es ist wahrscheinlich, dass eine wandernde Werkstatt die Arbeiten ausgeführt hat. Vielleicht haben sich auch verschiedene Lehrlinge und Gesellen die Arbeit geteilt.
Aus dem Rationalismus dieser Zeit sind die Engel ohne Flügel auf der Leiter zu erklären und die 10 Gebote als Foliant auf einem Lesepult anstelle von steinernen Tafeln und die „Hörner“ des Mose als Haarlocken. Das hebräische Wort kann je nach Lesart als Hörner oder als Strahlenkranz gedeutet werden. Es meint aber in jedem Fall eine besondere Kraft, die von diesem Menschen ausgeht. Der Pharao ist an Turban und Krone (Orient und europäisches Herrschaftszeichen) erkennbar.
Die Malerei ist in mehrere Felder eingeteilt und zeigt ein biblisches Bildprogramm, dessen Botschaft lautet: Gott erfüllt sein Versprechen, er ist treu, auch durch viele, lange „Durststrecken“ hindurch.
Der Hausherr und Auftraggeber tritt von dort dem Besucher entgegen. Er war vermutlich ein gelehrter Theologe. Erkennbar sind Folianten hinter ihm, er hält ein Buch in der Hand und trägt einen Talar.
Die Geschichte der Himmelsleiter ist hier dargestellt: Jakob hatte sich den Segen Gottes, der eigentlich seinem älteren Bruder zustand, durch Betrug erschlichen. Daher musste er fliehen. Unterwegs sieht er im Traum die Himmelsleiter mit den Engeln und hört die Stimme Gottes, der ihm das Land verspricht, auf dem er ruht. – Er selbst durfte das nicht erleben, seine Nachkommen mussten lange Zeit in Ägypten Sklavendienste leisten, vermehrten sich dort aber zu einem großen Volk.
Schließlich erwählte Gott Mose, der die Israeliten aus Ägypten in das „Gelobte“ (= „Versprochene“) Land führen sollte. Auch Mose war nicht frei von Sünde und Ungehorsam. Deshalb durfte er nach der Wüstenwanderung von 40 Jahren das Land nicht betreten, sondern nur von ferne sehen. Ecke rechts:
Mose hat einen ägyptischen Aufseher erschlagen, der Pharao trachtet ihm deshalb nach dem Leben. Zornig droht er Mose, und dieser duckt sich auf der nächsten Wand ängstlich weg. So wird ihr scharfer Gegensatz unterstrichen und gleichzeitig der Platz geschickt genutzt. – Mose flieht und kehrt erst nach Jahren zurück.
Mose und sein Bruder Aaron vor dem Pharao. Sie bitten ihn, die Israeliten wegziehen zu lassen. Gott muss aber erst 10 Plagen schicken, ehe der Pharao es ihnen erlaubt. Hier sind es Massen von Fröschen, die überall herumkriechen, sogar auf dem Tisch vor dem Herrscher.
Mose hat von Gott „auf dem Berge Sinai“ die 10 Gebote erhalten.
Auf Gottes Geheiß schlägt Mose mit seinem Stab an einen Felsen, aus dem daraufhin Wasser fließt, damit das fast verdurstende Volk nicht umkommt. (Das Fenster vertritt den Felsen.
Nicht mehr dargestellt ist, dass Jakobs Nachkommen schließlich das „Gelobte Land“ erreichen.