Das Grabhügelfeld in Erichshagen
Am Hügelgrab 5-11
31582 Nienburg
OT Erichshagen
Für ein Regionalmuseum sicherlich ungewöhnlich: Zum Eigentum des Museums gehört auch ein Grabhügelfeld, das von der Jungsteinzeit bis weit in die vorrömische Eisenzeit hinein in als Bestattungsareal genutzt wurde. Im Jahre 1912 übereignete der damalige Eigentümer Kaufmann Jungesbluth das Grabhügelfeld dem Museum Nienburg. Seither sorgt das Museum für den Schutz dieses Ausschnitts jahrtausendealter Kulturgeschichtslandschaft. Aber nicht nur das Alter ist entscheidend für den besonderen Wert dieser Grabhügel, sondern auch das außergewöhnlich wertvolle archäologische Fundgut, das hier geborgen wurde.
Die Lage dieses Hügelgräberfeldes in mitten des Ortes Erichshagen bezieht in ganz natürlicher Weise Nachbarn wie auch interessierte Besucher ein. Das kleine Refugium dient der Entspannung und Erholung und steht jederzeit für Besichtigungen offen. Eine Informationstafel vor Ort gibt umfassende Auskünfte. Das Grabhügelfeld in Erichshagen ist von der Celler Straße (B 214) aus zu erreichen. Stadtauswärts kurz nach der Ortseinfahrt Erichshagen am Hinweisschild "Hügelgräber" rechts abbiegen. Die Hügelgräber liegen nach 100 m links in der Grünanlage.
Archäologische Bedeutung
Die Grabhügel in Erichshagen belegen, dass der Raum auf der hochwasserfreien Geestfläche nördlich von Nienburg ab der älteren Bronzezeit bis in die Zeit um Christi Geburt (vorrömische Eisenzeit) genutzt wurde. Die zu den Gräbern gehörenden Siedlungen sind uns nicht bekannt, die aus Holz errichteten Bauten sind vergangen. Wie auch in anderen Epochen sind uns heute nur die Relikte der Totenbestattung erhalten geblieben.
Bereits im letzten Jahrhundert, in der Frühphase archäologischer Forschungsgeschichte, fand das Gräberfeld die Aufmerksamkeit des Berliner Museums. So gelangten zahlreiche Funde in die Hauptstadt und werden z. T. noch heute dort verwahrt. 1816 unternahm auch Graf von Münster-Langelage hier Ausgrabungen, die durchaus schon als wissenschaftlich bezeichnet werden können, da er eine zeichnerische und schriftliche Dokumentation vornahm (für diese Zeit sehr ungewöhnlich). Das Grabhügelfeld ist somit ein sehr früher Ausgangspunkt der archäologischen Forschung in Niedersachsen.
Graf Münster-Langelage grub hier ein derartig umfangreiches und wertvolles Fundgut aus, dass es mit seiner großen Anzahl an Urnen und der Fülle von hochwertigen Metallbeigaben bisher im Bereich der "Nienburger Kultur" einzigartig dasteht. Mit Fug und Recht kann das Grabhügelfeld als „d a s" Zentrum der „Nienburger Kultur" bezeichnet werden. Die ausgegrabenen Funde befinden sich noch heute im Landesmuseum Hannover und sind z. T. sogar Bestandteil der ständigen Ausstellung. Weiteres Fundgut, das im Verlaufe der Jahrzehnte geborgen wurde, befindet sich in der Obhut des Museums Nienburg.
„Die typische Bestattungsform der älteren Bronzezeit ist das Erdbegräbnis in einem Hügelgrab... Die Toten wurden mit ihren Waffen und der persönlichen Ausstattung beigesetzt. Die Grablege erfolgte in Baumsärgen, die aus gespaltenen und dann trogartig ausgehöhlten Abschnitten von Eichenstämmen bestanden. Diese waren häufig auf einem Steinpflaster niedergestellt, das man mit Heideplaggen oder mit Sand überhügelte..." (Tuitjer, 1989, S. 33). So wird es auch in Erichshagen gewesen sein.
In der jüngeren Bronzezeit (circa 1200-700 vor Christus) wurden die Grabhügel keineswegs aufgegeben, vielmehr einem tiefgreifenden Wandel im Bestattungswesen angepasst. So wurde die Körperbestattung im Grab durch die Leichenverbrennung mit anschließender Beisetzung in Tongefäßen abgelöst.
Ab etwa 700 vor Christus verbreitete sich, von Süden kommend, mit dem Eisen ein neues bearbeitungsfähiges Material. Nach und nach setzte sich in unserem Gebiet die Kenntnis der Eisenverhüttung durch, wobei das Eisen aus dem sogenannten Raseneisenerz gewonnen werden konnte. Die Bestattungen in dieser Zeit geschahen durch frei im Boden eingegrabene Tongefäße, die meist mit einer Deckschale verschlossen wurden. In die Urnen legte man je nach gesellschaftlicher Stellung des Toten auch Metallbeigaben, beispielsweise Nadeln, Ringschmuckoder Gürtelhaken.
In dieser „vorrömischen Eisenzeit" bildete sich in unserem Raum die sogenannte Nienburger Gruppe heraus. Die Angehörigen dieser Gruppe verzierten ihre Tongefäße in ganz besonderer Weise.
Aus dieser Zeit stammt auch eines der wichtigsten archäologischen Fundstücke des Nienburger Museums: der Hängeschmuck von Wölpe. Dieser Frauenschmuck wurde im Dezember 1908 im Randbereich des Hügelgräberfeldes bei Bauarbeiten gefunden und setzt sich aus diversen unterschiedlichen Einzelteilen zusammen, deren antike Anordnung aber nicht gesichert ist, da die Kinder des Finders im Spiel wohl die ursprüngliche Form verändert haben. Der Schmuck besteht aus ösenförmig gebogenem Bronzedraht, Bronzescheiben, kobaltblauen Glasperlen und flachen Bernsteinscheiben. Die Einzigartigkeit des Wölper Hängeschmuckes besteht in seiner Erhaltung. Da die Toten in der Eisenzeit mit ihrem Schmuck verbrannt wurden, kennt man aus einigen Gräbern Niedersachsens zwar einige verschmorte Bronzereste, die zu einem solchen Hängeschmuck gehört haben, eine Vorstellung der Gesamtform ermöglicht aber nur das Original aus der Wölper Heide. Da keine Feuereinwirkung feststellbar ist, handelt es sich bestimmt um keinen Grabfund. Wir haben es hier mit einem Depotfund zu tun, der nicht mehr gehoben werden sollte oder konnte.